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Nidwaldner Tracht
Unsere Welt ist trachtenmäßig gut aufgestellt! – Dieses Statement gewinnt noch an Gewicht, wenn wir bedenken, dass es allein in der Schweiz sage und schreibe 700 verschiedene Trachten gibt. Zeit also, sich einmal den unterschiedlichsten Trachten zu widmen und die Nidwaldner Tracht den Anfang machen zu lassen.
Nidwaldner Tracht – so sieht sie aus
Trachten in der Schweiz unterscheiden sich nicht nur von Kanton zu Kanton. Auch innerhalb der einzelnen Kantone kann es sein, dass vor allem die Frauentrachten regional Unterschiede aufweisen. Die Praxis zeigt, dass in allen Regionen zwischen Festtags- und Werktagstrachten unterschieden wird, wobei sie heute im alltäglichen Straßenbild der Schweiz nicht mehr anzutreffen sind.
So ist es Usus, sie ausschließlich zu Festen, dem Nationalfeiertag und kulturellen Veranstaltungen zu tragen. Das können in einigen Regionen die Fronleichnamprozessionen sowie Vorführungen von Trachtengruppen bzw. Gesangsvereinen sein.
Die Nidwaldner Tracht kann nicht verleugnen, dass sie sehr stark von Napoleon und der Empire-Mode beeinflusst wurde. Die sogenannte Feiertagstracht, die Nidwaldner Sonntagstracht, bezaubert in vielen Farben und vereint einen Kopfschmuck, den Halsschmuck und eine spezielle Bluse, wobei beim Kopfschmuck streng nach ledig und verheiratet unterschieden wird. Die Haarnadel in Form von Schaufeln bedeutet bei den Damen, dass sie verheiratet sind, wogegen ein Zopf mit einem durchstochenen Pfeil ledige Frauen kennzeichnet.
Auch die typischen Accessoires zur Nidwaldner Tracht dürfen in keinem Fall fehlen. Dabei nimmt das „Reissäcklein“ eine exponierte Stellung ein, denn es gilt als ein traditioneller Bestandteil der Nidwaldner Tracht und wird sowohl von Männern als auch von Frauen getragen.
Meist aus grünem Baumwoll- oder Wollstoff mit einer Schnur zum Zusammenziehen gefertigt, definiert das „Reissäcklein“ eine kleine Tasche. Es gab frühere Zeiten, da war eine solche Tasche in etwas grösserer Form als Reise- und Proviantsack vorgesehen und kann auf italienische Wurzeln verweisen.
Italienisch und etwas pikant geht es auch beim sogenannten „Fazeneetli“, dem roten Taschentuch, zu, denn dieses lassen ledige Männer absichtlich aus ihrer Hosentasche raushängen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, aber ein weiterer Beleg für die guten alten Beziehungen Nidwaldens nach Oberitalien.
Die reich verzierten Oberteile haben vielfarbige Stickereien. Bei den Herren sind Alpenblumen wie Türkenbund, Edelweiss und Enzian aufs Gilet gestickt. Bei den Damen zieren Gartenblumen wie Rosen, Vergissmeinnicht oder Stiefmütterchen den Tschäpper.
Teure Nidwaldner Tracht
Ein Grundsatz gilt jedoch für Alle, denn wer eine auf sich zugeschnittene Tracht möchte, braucht eine Menge Ausdauer. Die Zeit der Älplerchilbi verlangt auch den Trachtenvereinen eine Menge Kraft ab. Das geht sogar soweit, dass beim Klingeln des Telefons sofort an die Älplerchilbi und die Tracht gedacht wird, gibt Agnes Ambauen beim Interview zum Besten. Sie engagiert sich für die Trachtengruppe Buochs in der kantonalen Trachtenkommission, die noch durch drei weitere Nidwaldner Trachtenvereine ergänzt wird. In wenig lachend „stöhnt“ sie, dass an fast jedem Oktober-Sonntag in den verschiedenen Gemeinden die traditionelle Älplerchilbi stattfindet, die einen enormen Bedarf an Trachten nach sich zieht.
Dabei ergänzt Agnes Ambauen, dass eine Sonntagstracht ca. 10.000 Franken (also aktuell mehr als 9.000 Euro) kostet und gibt auch gleich zu bedenken, dass es sich nicht lohne, eine solche Tracht zu kaufen, wenn sie nur einmal im Jahr getragen wird.
Das Zauberwort heißt in so einem Fall „Mieten“, denn eine solche Vermietung ist für beide Seiten ein Gewinn. In diesen Wochen werden die Trachtenfrauen mit Anfragen überhäuft, und es kommt nicht selten vor, dass sich die Mieterin die teure Anschaffung erspart und die Besitzerin sich mit den Einnahmen neues Zubehör finanziert. Allerdings ist viel Geduld gefragt…
Geduld? – JA, denn mit dem Ausleihen und Zurücknehmen der Tracht ist es leider noch nicht getan. Eine Anprobe kann schon mal ca. zwei Stunden dauern, denn den Frauen wird die Tracht angezogen, damit sie ein Gefühl dafür bekommen. Insbesondere die Ärmel haben da so ihre Tücken und können am Anfang etwas fremd wirken, so die Meinung von Agnes Ambauen.
Alles wird bis ins i-Tüpfelchen geplant, denn schließlich soll das besondere Kleidungsstück wie angegossen sitzen. Falls notwendig, wird noch etwas abgeändert, denn schließlich soll die Tracht ca. 12 Stunden getragen werden. Aber das ist für viele Frauen kein Problem! Im Gegenteil, die Liebe zur Nidwaldner Tracht reicht sogar über die Kantonsgrenzen hinaus. Es soll Ennetbürgerinnen geben, die nun in Uri wohnen und ihre neue Heimat nicht mit der dortigen Tracht repräsentieren, sondern immer noch die Nidwaldner Tracht favorisieren.
Kleid der Heimat
Altes Handwerk in die Gegenwart übertragen, damit es in der Zukunft Bestand hat – diesen Grundsatz leben die verschiedenen Handwerkerinnen, die sich der Nidwaldner Tracht verschrieben haben. Egal, ob Spitzen geklöppelt und zauberhafte Stickereien integriert werden, Schweizer Trachten symbolisieren ein „Kleid der Heimat“. Auf die Frage: Wie fühlt man sich in einer Tracht? wird häufig geantwortet: Stolz! Ein Indiz dafür, dass FRAU und MANN sich in diesem feinen Gewand wie in einem massgeschneiderten Heimatschein fühlen – oder?
Aber auch ein Indiz dafür, dass Herkunft, Handwerk und Herzensangelegenheiten fest miteinander „verbandelt“ sind…
Bilder: Älplergesellschaft Ennetbürgen