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Das Dirndl – Eine Gratwanderung zwischen Tradition und Kitsch
„Tracht ist die langsame Schwester der Mode“
(Friedrich Theodor Vischer).
Dirndl und Lederhosen liegen im Trend! Vor einigen Jahren noch musste man sich dafür schämen, heute ist das anders. Das Dirndl hat Einzug in die Alltagsmode gehalten und wird schon längst nicht mehr nur von Trachtenvereinen und auf Trachtenfesten getragen.
Doch wo hört Tracht auf und fängt Kitsch an?
Gesine „Gexi“ Tostmann, die Volkskundlerin und Ikone der Tracht in Österreich meint, dass das Dirndl heutzutage sogar schon zum Wegwerfprodukt mutiert. Und genau das findet sie schade, denn Tracht steht für Tradition und Werte sowie die Sehnsucht nach Dingen, die man nicht nach einem Jahr wegwirft.
Im Moment wird das Thema vielfach schon banalisiert. Das Dirndl wird Kitsch und zum Faschingsprodukt, denn es geht bei vielen Billigmodellen nur mehr um das Zeigen der Oberweite und der Wadln. Selbst auf Haute Couture Laufstegen sieht man trachtige Elemente. Und es hat es neben der Schwesternuniform sogar schon in die Sex-Shops geschafft.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wo Ihr günstig erstandenes Dirndl produziert wird?
Qualität hat immer ihren Preis! Durch Lohn- & Lohnnebenkosten sind in Österreich und Deutschland in Handarbeit gefertigte Dirndl einfach teurer. Durch Billigproduktionen in minderer Qualität, die den Markt im Moment überschwemmen, wird das Trachtengewand zum Massenprodukt. Der Markenname alleine lässt nicht darauf schließen, dass das Dirndl auch hier entstanden ist.
Nur ein Dirndl oder Tracht?
Selbst Gexi Tostmann fragt sich das seit Jahrzehnten. Denn die Volkskundlerin weiß, dass viele sogenannte Traditionen erst in den letzten 30 Jahren entstanden sind. Die Bindung der Schürze zum Beispiel ist nicht seit Jahrhunderten überliefert, sondern ein Produkt unserer Zeit. Auch das Dirndl an sich, das ja von den Städtern, die zur Sommerfrische aufs Land gekommen sind, und die Arbeitskleidung der Landbewohner sahen, salonfähig gemacht wurde, unterlag immer einem Wandel. Es gab immer schon modische Adaptionen und auch um 1900 war das Dirndl ein Life-Style Produkt so wie heute.
Insofern gibt es keine wirklich echte Tracht, denn selbst die Trachtenmappen sind nicht schon vor Jahrhunderten entstanden, sondern wurden von Trachtenvereinen ins Leben gerufen und die abgebildeten Dirndln waren oft nur Zufallsfunde, erzählt Gexi Tostmann in einem Interview von Servus TV. Es gibt aber sehr wohl Kleidungsstücke mit Regionalbezug und heute will jede Region ihr eigenes Dirndl.
Warum? Vielleicht, weil wir gerne Vorschriften haben und das Dirndl „genau wie in der Mappe möchten, denn nur dann ist es echt“. Heute wird vielfach diskutiert, was geht und was nicht. Darf man zum Beispiel ein Dirndl ohne Bluse tragen? Wenn nein, was ist dann das „Hitzgwandl„? Das hat sich immerhin aus einem Unterkleid entwickelt, das an heißen Sommertagen bei der Feldarbeit angezogen wurde.
Schön ist jedenfalls, dass Tracht auch von Jungen mittlerweile gern getragen wird und ein Dirndl auch durch die verrücktesten Trends nicht umzubringen ist. Manchmal sind aber zwei Zentimeter Stoff an manchen Stellen oft mehr, damit das Dirndl nicht in die Banalität abgleitet. So hängt es vermutlich auch von der Trägerin ab, ob ein Dirndl eine Tracht oder Kitsch ist.
Und die modischen Anpassungen sollten sich ohne Dogma an alten Vorbildern orientieren. Was hier zählt, ist mit Sicherheit wieder einmal der Hausverstand.
Eine Bitte noch zum Schluss: Seien Sie doch beim nächsten Dirndlkauf kritisch und hinterfragen Sie die Herkunft. Damit unser Dirndl auch weiterhin nicht einfach nur ein Kleidungsstück ist.