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Gexi Tostmann & ihre Passionen
Schenken wir einem sehr bekannten Nachschlagewerk Glauben, so haben wir es bei Gesine Maria „Gexi“ Tostmann, einer österreichischen Unternehmerin, mit einer echten Stilikone zu tun. Sie gibt zweifelsohne den Ton an, wenn es um Trachten & Co. in Österreich geht.
Umso mehr freuen wir uns natürlich, dass sie, „die Trachtenikone Österreichs“, uns, der Trachtenbibel Österreichs, ein Interview gewährt, das den Blick auf eine wirklich ungewöhnliche Power-Frau lenkt.
Die Passionen der Gexi Tostmann
Die Trachtenexpertin Dr. Gesine Tostmann hat viele Gesichter, Berufungen und Passionen. So zog sie einst aus, um die Welt ein wenig besser und gerechter zu machen. Gexi Tostmann, wie sie liebevoll genannt wird, engagierte sich bereits nach ihrem Studium in der elterlichen Trachtenfirma. Ihre Dissertation über die „Wechselwirkung von Tracht und Mode in Österreich und die Traditionseinflüsse in der Kleidung der Gegenwart“ brachte ihr nicht nur den Doktortitel, sondern legte auch den Grundstein dafür, dass ihre Meinung heute fast Gebot ist.
Es folgten Jahre als Managerin für die Tracht im Allgemeinen und für Tostmann Trachten im Besonderen, obwohl Gesine Tostmann in einem Zeitungsinterview einmal scherzhaft der Meinung war, dass sie „für Zahlen wenig übrig habe und fürs Schneidern zwei linke Hände“.
Aber, im Durchsetzen ist sie stark, die Gexi Tostmann! Sie hat gegen Ladenschlusszeiten gekämpft & gewonnen. Dieser tatkräftige Aspekt begründet auch ihr vielfältiges Engagement im politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Bereich. Sie gilt nicht nur als glühende Verfechterin der frühen Friedens- und Anti-Atombewegung, sondern initiierte auch gemeinsam mit ihrer Tochter Anna den Emilie-Flöge-Preis und den Konrad-Mautner-Preis.
Preise, die seit dem Jahre 2006 alle zwei Jahre an sogenannte „Botschafter der Tracht“ verliehen werden. Aber Ehrungen häufen sich auch bei ihr. So bekam Frau Dr. Gesine Tostmann unter anderem 2012 die Kulturmedaille des Landes Oberösterreich und das Große Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Niederösterreich. Im Jahre 2014 folgte dann die Ehrenbrosche in Gold der Marktgemeinde Seewalchen.
Tostmann Trachten – ein Name, der für Qualität steht
Heute liegen die Geschicke von Tostmann Trachten in den Händen ihrer Tochter Anna, die nach Abschluss ihres Jurastudiums in das Unternehmen einstieg. Ein österreichischer Traditionsbetrieb mit mehr als 100 Mitarbeitern im Stammhaus Seewalchen und in Wien.
Dieses Unternehmen gehört zu den renommiertesten Trachtenerzeugern in Österreich, was nicht zuletzt auch der stimmigen Philosophie zu verdanken ist. Denn alles, soweit es natürlich möglich ist, kommt aus Österreich und wird auch in Österreich hergestellt.
Der Wahrung der Tradition kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu, aber Gexi Tostmann gesteht auch, dass sie sich nicht so gut auf das „Konservieren“ versteht. Das heißt, sie gibt auch allem viel Raum, was ein Weiterführen des Bestehenden in die heutige Zeit sichert.
Und was macht Österreichs wichtigste und streitbarste Vorkämpferin für die Tracht heute? Ehrlich und unumwunden gibt Frau Dr. Gesine Tostmann zu, dass sie ihre erste Tätigkeit heute als Großmutter sieht und die zweite und dritte unter anderem als grünes Ersatz-Mitglied im Gemeinderat in Seewalchen und als Beirat im Vorstand der Volkskultur NÖ. Aber, so ganz kann sie denn doch nicht aus ihrer Haut, und Events wie die Salzburger Tracht & Country sind wie geschaffen, sie weiterhin in „Action“ zu sehen.
Wir freuen uns natürlich über ihren „Un-Ruhestand“ und dass wir sie endlich vor unserem Mikrofon haben, die Weltbürgerin „Gexi“ Tostmann!
Man merkt schnell, dass ihr hier eine immer noch umtriebige, agile und weltoffene Person gegenübersitzt, deren Schalk dann und wann aus ihren Augen blitzt. Gerne ist „Gexi“ Tostmann noch streitbar, und sie philosophiert über „Gott und die Welt“. In ihrem Falle sind es aber wohl doch die Trachten, die Priorität genießen.
Sei es ein neues Projekt, das zusammen mit dem Ehepaar Vivienne Westwood und Andreas Kronthaler entsteht und bald auf den Laufstegen zu sehen sein wird – oder das bevorstehende Firmenjubiläum. Frau Dr. Gesine Tostmann steht immer noch mittendrin. Dabei erzählt sie charmant und vielleicht auch ein wenig stolz, dass ihre Tage immer noch gut ausgefüllt sind. Es mache ihr halt Spaß, und sie sieht es nicht als Arbeit, so ihre pragmatische und scherzhafte Begründung. Chapeau!
Gexi Tostmann & die Traditionen
Als wir im Gespräch auf die Traditionen kommen, fällt uns auf, dass Gexi Tostmann ihre Schürze vorne bindet, obwohl es im Salzkammergut hinten üblich wäre. „Würd ich sie hinten binden, würden mir die Bänder immer ins Klo hängen“, erklärt sie uns und lacht herzhaft.
Dieser „Sager“ ist das perfekte Beispiel, dass sich ihre Meinung immer den geraden Weg bahnt. Wer mit der Volkskundlerin spricht, kann sich sicher sein, die Wahrheit zu erfahren.
Gesine Tostmann hat eine positive Einstellung zu den Dingen und insbesondere ist ihr die positive Einstellung zur Tracht wichtig. Ihre Bitte, auch Bürgerliche und Intellektuelle möchten bitte keine Gelegenheit auslassen, um Tracht zu tragen, damit die ewig Gestrigen keine Gelegenheit bekommen, sich traditioneller Werte alleine zu bemächtigen.
Die Tracht, auch eine Form von Uniform mit gewissem Touch, muss raus aus dem bräunlichen „Mief“, so ihr ehrliches Statement.
Tipps für die Jugend
Wie findet es Gexi Tostmann denn, dass auch die Jugend vermehrt die Tracht für sich entdeckt? Manche Zusammenstellungen der Jungen findet sie schon ein bisschen komisch, aber sie möchte auf keinen Fall ein Modediktat aufzwingen. Und plötzlich verrät sie uns auch ihren
Leitspruch in diesem Kontext: „Wer die Formen beherrscht, darf sie vernachlässigen.“
Generell steht Frau Dr. Tostmann dazu, sich nicht zu verkleiden, denn das Gesamterscheinungsbild steht an erster Stelle. Deshalb gilt für sie auch: „Turnschuhe super & Stilettos blöd. Aber es gibt wichtigere Dinge im Leben!“
Der Fokus sollte auf guter Qualität, Wertigkeit und Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit, diesen Begriff verwendet sie oft, denn ihr Unternehmen soll nicht mit „Wegwerf-Kollektionen“ auf sich aufmerksam machen. Vielmehr ist es ihr wichtig, wertige Trachten und somit die Traditionen sogar zu vererben.
Wenn also Jüngere sich ein teures Dirndl nicht leisten können, ist ihr Tipp: „Schaut auf Flohmärkten, in Second Hand-Geschäften oder im Internet! Dort finden sich hochwertige Dirndln, die man auch umarbeiten lassen kann.“
Sie plädiert auch für das Ausborgen. Der nächste Ball oder eine Trachtenhochzeit steht ins Haus? Wie wäre es mit einem traditionellen Dirndl aus dem Hause Tostmann, das für Nachhaltigkeit steht? Nicht gekauft – sondern geborgt!
„Polyester-Schmarrn“ kommt Gexi Tostmann natürlich nicht in die Tüte, denn sie und ihr Familienunternehmen stehen für viel Stilgefühl und einen erlesenen Geschmack.
Bei sich bleiben
Ganz Gexi Tostmann, antwortet sie auch, als die Sprache auf die Fertigung in Österreich kommt. Ins Ausland auslagern und günstiger produzieren oder weiter in Österreich fertigen – vor dieser Entscheidung stand die erfolgreiche Unternehmerin. Sie hat sich immer gegen eine Produktion im Ausland entschieden! Glücklich ist sie drum umso mehr, dass ihre Kunden immer mit ihren Entscheidungen konform gegangen sind.
„Bei sich zu bleiben.“ – ist deshalb zu einem wichtigen Leitspruch der österreichischen Trachtenikone geworden. Stolz ist sie darauf, dass ihre Tochter all ihre Entscheidungen mitgetragen habe, und heute auch bewusst an alle Vorhaben herangeht. Ein jüngst von Tochter Anna eröffnetes Café, zeigt, dass hier die gleiche Philosophie Eingang findet.
Auch wenn die Verantwortung für das Traditionsunternehmen schon in den Händen ihrer Tochter liegt, so warten Lesungen, Vorträge und Modeschauen auf ihre Hauptperson, die eigentlich „nur noch“ Großmutter sein möchte.
Doch die umtriebige, großartige Frau Dr. Tostmann ist bei allem mit Herz dabei: „Ich könnte jeden Tag des Jahres ein anderes Dirndl tragen“, verrät sie uns zum Schluß. Genügend Dirndln also, um Österreich auch weiterhin täglich mit ihrer unverblümten, ehrlichen und herzlichen Art aufzumischen.
Bilder: Sandra Hribernik/Reed Messe Salzburg, Trachtenbibel