Jeans-Lederne

Die Jeans-Lederne

Von am 16. September 2014 0 91 Views

Ebba Lindström & Patrick ClemensEbba Lindström & Patrick Clemens stellen Lederhosen aus Jeansstoff her – also Jeans-Lederne, wenn man so will – und haben sich mit einem eigenen Label „Oipnglügg“ selbstständig gemacht.

Die Jeans-Lederne & ihre Entstehungsgeschichte

2003 waren die beiden in Marokko und sind mit einer Hosenidee zurückgekommen. „Geppebba“, die ultimative Funktions-Baggy-Hose nach orientalischem Vorbild und abendländischen Style, war für sie die Evolution eines Hosenschnittes und die Entdeckung eines Hosensegments. Daraus hat sich dann 2011 die Idee einer Lederhose aus Jeansstoff entwickelt.

Wir wollten natürlich mehr wissen und haben sie zum Interview gebeten.

Liebe Frau Lindström, lieber Herr Clemens, wann haben Sie sich entschlossen, das Unternehmen zu gründen und warum?

2003 nach unserem Marokko-Aufenthalt waren wir 2 Jahre als Paar zusammen und beide in der Ausbildung. Was sollte mit uns passieren, wenn sich danach jeder nach Jobs umschauen müsste? – Ebba Mode & Grafikdesign und Geppetto dipl. Sportökonomie/-management.

Wir hatten eine starke Produktvision und genügend Enthusiasmus und Blauäugigkeit für ein unternehmerisches Abenteuer. Zusammenarbeiten, kreative Ideen realisieren, der ganze Erschaffungsprozess hat uns fasziniert. Damit dann auch seinen Lebensunterhalt bestreiten, wäre das perfekte Leben!

2006 waren wir als Unternehmen dann offiziell. Ja, wenn man anfängt, jeden Tag an eine Sache zu denken, dann ist die Selbstständigkeit eine gute Lösung. Außerdem hat das ständige Reden mit den Freunden uns in einen gewissen Zugzwang gebracht. Prinzipiell lagen und liegen wir ja auch mit der „geppebba“ beim Thema drop crotch – andere Bezeichnungen sind Sarouel, Baggy Pant oder Hängeschritt-Hosen – immer noch genau richtig. Da haben wir viele Liebhaber gewonnen und kennen viele in München, Wien & Zürich für diese eine Hose. Namhafte Designer haben sich tatsächlich ebenfalls vor Jahren diesem Thema gewidmet – nur, ob uns jemand mitbekommt, ist eine andere Frage … deswegen hier unser Dankeschön für das Interview!

Warum gerade trachtige Dinge?

Jeans-Lederne Oipnglügg Modell WaldmannWir sind absolut triebgesteuert. Im Sommer 2011 hatten wir plötzlich die Idee eine „Lederhose aus Jeans“ zu machen. Wir sind wie gesagt, seit Jahren zuvor mit einem komplett anderen Typ von Hose beschäftigt gewesen. Aber der Gedanke eine alpenländische Identitätshose für den Eigenbedarf zu kaufen, bestand schon zuvor aus diversen Gründen … Nur, was G’scheits hat seinen Preis und eine aus pakistanischem Mäuseleder sollte es intuitiv nicht sein.

Also ist doch klar, wenn wir schon selber Hosen machen können, wieso nicht aus unserem Lieblingsmaterial?! Eine Sommerhose für das Münchner Kindl, die vegane Lederhose für unseren Freund, die Jeanskracherte für den Partymensch, die Alpine-Denim-Shorts für den Kraxler. Wieso die Leut‘ hier bei uns immer nur zum Oktoberfest die Tracht rauskramen, wenn man damit im Karowald zusammen mit den Touri-Billigoutfits untergeht? In der Art waren unsere Gedanken zuerst.

Tracht ist in München im Rest vom Jahr so gut wie nicht existent. Nur in seltenen Fällen huscht mal jemand am optischen Rezeptor vorbei. Das heißt: unsere Identität mit dem Stoff zu verbinden, den fast jeder trägt, wäre vielleicht doch eine Lösung für wieder einen halb permanenten Status der alpenländischer Modekultur in der Stadt? Jeans hat als Arbeiterstoff und dem schönen Alterungsprozess, sehr ähnliche Charaktereigenschaften wie Leder. Wir sind zugegeben, auch echte Denim-Fans! Natürlich sind wir bei Tracht jetzt in einer eigenen Welt angekommen, aber wir sind ja auch nicht von irgendwoher, sondern sind die „Hosn `Äktschn z`Minga“, Modespezialisten aus der Münchner Subkultur. Trachtige Dinge – es soll ausgereifte, edle Mode sein mit einem heimatlichen & aktuellen Bezug, der dem ewigen Trendbombardement aus allen Richtungen standhält.

Was steckt hinter dem Namen Oipnglügg?

Oipnglügg
De Oipn san de hechstn Beag vo Bayern
und aa Glügg vo dera Wöid ibahaapt.
D’Oipn san aa da Grund fia dn Föhn,
dea oanaseits oft a scheens Weda bringt,
oandraseits aba aa zuaständig is,
dass vui Leit a Schedlwäh hom.

Gibt es eine spezielle Geschichte dahinter?

Wir wollten einen Namen in Mundart und sind im „Wörld Wide Sepp“ auf die Oipn gestossen. Dann haben wir uns gefragt: Was haben wir eigentlich von den Oipn hier? So ist dann das Gedicht entstanden.

Welche Produkte bieten Sie genau an?

Bis jetzt kurze Hos’n mit unterschiedlichen Stickereien, teilweise eigene Designs aber auch zusammen mit Münchner Künstlern. So haben wir zwei Stoffvarianten, Denims aus Japan und Italien & Zwirn Doppelpilot, einem Stoff aus der Zunft-& Jagdbekleidung. Wir arbeiten weiter daran …

Wie und wo werden diese gefertigt?

Jeans-LederneWir entwickeln die Jeans-Lederne als Prototypen komplett selber so, dass wir die Möglichkeit haben diese seriell zu produzieren oder sie auch auf Anfrage bei uns herstellen können.
Wir haben zum Beispiel 100 Jeanserne vom Modell Almwiese & Goldader in Italien, nähe Venedig fertigen lassen. Dort gibt es alles was wir brauchen an einem Ort und wir kennen alle Beteiligten seit Jahren. Die Zusammenarbeit dort ist für uns eine Ehre und immer eine Freude.

Für das Modell Heimatstoff haben wir jetzt eine spezialisierte Produktionsstätte in Litauen gefunden, die uns in einer Auflage von 30 Stück den sehr schweren und traditionellen Zunfthosenstoff in einer Wahnsinnsqualität verarbeitet haben. Auch die Stickerei von dort hat uns mehr als glücklich gemacht. Dazu arbeiten wir mit einer alten Pedalmaschine aus den 50ern. Mit dieser nähen wir derzeit eine Neuauflage der Waldmann-Serie. Die liebevolle Selbstherstellung liegt uns also auch sehr am Herzen!

Was zeichnet Ihre Produkte aus? Gibt es etwas Spezielles daran?

Das Schnittdesign und die Stickereien sind schon was Besonderes! Dass alle Verarbeitungskomponenten auf höchstem Niveau sind, ist für uns eh logisch. Wir haben hier keine abgeschnittene Jeans mit ’nem einfach angenähten Latz, sondern das Schnittdesign lebt tatsächlich von unserem Meisterstück, der geppebba-Hose.

Sie hat einen durchgehenden Keil, der Schritt ist extrem reißfest, weil eben keine Nähte an dem Stresspunkt im Schritt sind. Neben dem eigenen Schnittkonzept, was der ganzen Hose seinen handfesten Charakter gibt, sind wir auch sehr ins Detail gegangen. Beim Latz beispielsweise haben wir keine Mühen gescheut, das Maximale an sauberer Verarbeitung zu investieren. Das kleine Innentäschlein im Latz unterstreicht das auch funktionsmäßig.

Eine gute Lösung haben wir auch für die Modelle ohne Hosenträger gefunden, damit die Stickerei nicht durch den Gürtel verdeckt wird. Sonst macht ja auch der Latz funktionsmäßig für „Stehbiesler“ keinen Sinn mehr, oder?

Des Weiteren, arbeiten wir bei den Stickmotiven eng mit Münchner Künstlern zusammen, was dem Ganzen eine sehr lebhafte Aufwertung verleiht, wenn die Hose nicht letztendlich schon blanko zu Handwerkskunst zählt. Wir glauben, wir sind im Bereich von Jeanslederhosen beziehungsweise veganen Lederhosen – oder wie man sie nennen möchte – auf einem sehr ausgereiften Niveau angekommen. Besonders die Eigenschaft der breiten Kombinationsmöglichkeiten finden wir sehr gut. Ob mit Sneaker oder Haferlschuh, T-Shirt oder Pfoad – es passt ois!

Positives Feedback haben wir von einem Trachtenvereinsmitglied mal bekommen, als uns gesagt wurde, dass es das erste Mal sei, etwas trachtenmäßig neu Interpretiertes gesehen zu haben, dass nicht wie ein billiger Abklatsch rüber kommt, sondern wir Innovation mit den Trachtenelementen in einer authentischen Art vereint haben. Das war die beste Auszeichnung für uns bis jetzt.

Wo kann man Ihre Produkte beziehen?

Online auf www.oipnglügg.de haben wir jetzt einen Shop errichtet, den wir persönlich administrieren und wo wir mit Kunden in Kontakt sind, die uns nicht privat kennen.

Was ist für Sie Tracht?

Für uns ist Tracht ein sehr interessantes Gebiet für eine moderne & kreative Weiterentwicklung. Tracht ist aber auch Teil der Heimat, die am besten so bleibt, wie sie ist. Heute können wir ja froh sein, dass wir nicht unter Kleidervorschriften leiden müssen wie damals die Leute. Andererseits wurde Tracht dadurch sehr definiert und der kulturelle Status verankert. Daher schwingt wohl beim Thema Tracht der Dresscode auch sehr stark mit, so wie wir das hier erleben.

Heute gibt es eine schöne lebendige Neuinterpretation von Gebirgstracht. Wir versuchen Tracht jung, wild und frech umzusetzen und für die heutige Generation spannend & tragbar zu machen. Es wäre für uns schon ganz fein, wenn wir es schaffen würden, einen Beitrag zur vermehrten Wiederaufnahme in das jugendkulturelle Modebild in München leisten zu können.

Wahrscheinlich wäre die Tracht auch ohne die Initiative von Trachtenvereinen längst untergegangen. Zum Glück werden die Bräuche hervorragend bewahrt, so gut, dass viele tatsächlich meinen, in Bayern läuft man seit 1500 Jahren nur in der Tracht umher und jede Varianz sei verboten. Aber interessant finden wir Tracht auch wegen der kleinen regionalen Unterschiede, die eventuell auf den modisch inspirierten Schneider von damals zurückzuführen sind. Nun gibt es im Normalfall heute niemanden, der sich was anzieht, was ihm nicht gefällt und so wie die Jeans damals gefeiert wurde, haben wir angefangen, die Tracht zu feiern.

Tragen Sie selbst privat auch Tracht?

Privat tragen wir nur unsere Ideen, nicht nur um zu testen, wie das Kleidungsstück zu erfahren ist und wie wir uns weiterentwickeln, sondern weil wir selber immer sehr heiß auf unsere Kleidungsstücke sind.

Verraten Sie uns noch ein persönliches „no go“ zur Tracht?

Das Wiesn Set: Hier stauen wir immer wieder, wie es möglich sein kann, für so einen billigen Preis das hierher zu bringen. Ein „no go“ zur Tracht ist, zu produzieren für nur eine Bierveranstaltung. Tracht ist Handwerk, das sind Teile mit solider Qualität, mit langer Haltbarkeit und eben kein Massenwegwerf-Artikel. Also, wenn man sich was Trachtiges kauft, dann soll das auch oft getragen werden. Oder man leiht es sich am Besten für den einen Event aus. Über den Geschmack kann man sich bekanntlich streiten, oder wieder wie damals eine strafgesetzliche Kleiderverordnung erlassen. Bei Menschen, Natur und Tieren hört der Spaß doch auf?

Vielen Dank & viel Erfolg!

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