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Die Schokoladenseite der Wiener Küche
Wiener Küche – Saures & Süsses
von Patrizia Bohndorff
Erinnert ihr euch noch an Sabine und ihre Schwierigkeiten mit der Alt-Wiener-Kochkunst? Gut, jetzt kommt nämlich Felicia, der es ähnlich erging, denn auch sie frönt zwar den leckersten Speisen, aber die ihr teils unbekannten Namen vergraulen ihr so manchen Genuss. Das muss nicht sein, haben wir uns gedacht, und setzen sie fort, unsere kleine Kurz-Etymologie-Studie.
Ein Besuch hat doch immer wieder schöne Seiten. Die Zeit wird genutzt, um mal einen ordentlichen Klatsch unter Freundinnen abzuhalten, und das Genießen kommt selten zu kurz. Auch Felicia, eine weitere Freundin aus Kindertagen und jetzt auf einer Nordseeinsel wohnend, hatte mal wieder Lust auf das quirlige Wien.
Gesagt, getan, und schon stand sie mir auf dem Hauptbahnhof gegenüber. „Diese Hitze hier, halte ich ja kaum aus“ – kam sogleich über ihre Lippen. „Lass uns schnell etwas Kühles trinken gehen. Und übrigens, etwas zu essen, wäre auch nicht schlecht.“
Ich hatte schon verstanden, denn Felicia stand der Sinn nach der Wiener Küche, die sie vor Jahren schon von ihrer sprichwörtlichen Schokoladenseite kennengelernt hatte.
Suppen, Beilagen und Spezialitäten
Kaum im Restaurant angekommen, nahm das Unheil schon seinen Lauf. Felicia verspürte Lust auf eine köstliche Suppe mit einer noch köstlicheren Beilage, und wollte, ganz norddeutsch, eine Brühe bestellen.
Der Herr Ober musterte sie ein wenig von oben herab und korrigierte dann dezent ihren vermeintlichen Fehler, denn in seinem Wortschatz hieß eine Brühe nun mal „Bouillon“. Schwamm drüber, aber Grund genug, die Suppen, Beilagen und Spezialitäten noch einmal unter die fachmännische Lupe zu nehmen…
Lassen wir also zuerst „die Frittata“ sprechen. Hier geht FRAU von einem italienischen Eierkuchen aus, der in Wien in Streiferln geschnitten wird, die wiederum in einer Bouillon schwimmen. Dieses genüssliche Kunstwerk heißt dann „Frittatensuppe“.
Wusstet ihr schon, dass Nockerln eigentlich Felsennamen sind? Die Germanen sind schuld daran, dass sie in den sonnigen Süden importiert, wo sie wiederum eine italienische Form bekamen, die Gnocchi, und dann flugs wieder re-importiert wurden. Auch der Urwiener Name „Risibisi“ kann italienisch, denn aus „Reis mit Erbsen“ wurde kurzerhand „Riso con piselli“.
Eine seltene, wenn auch gewöhnungsbedürftige Beilage sind Pofesen.
Diese Semmelschnitten, die manchmal auch mit Kalbshirn gefüllt sind, entstammen dem Wappen von Pavia, zwei gekreuzten Schilden, so dass sie fortan als stolze Pavesi bezeichnet wurden.
Bei zwei besonders bekannten Wiener Speisen bedient man sich der ungarischen Worte – dem Gu-, aber häufiger als Golasch bezeichnet, und den Palatschinken. Ursprünglich war Gulyás der Kommandant einer Rinderherde. Weshalb jetzt die stark verzwiebelten Rindfleischbrocken mit dem gleichen Namen bedacht wurden, ist nicht überliefert, jedoch bestellt man in Wien ein Gulasch und in Budapest Pörkölt.
Palatschinken ist kein Schinken
Der Fremde in Wien ist sichtlich enttäuscht, wenn er bemerkt, dass Palatschinken gar nichts mit Schinken zu tun hat. Vielleicht sollte er es auch damit belassen, und es wäre gut, wenn er die Etymologie gar nicht erfahren würde. Aber der Mensch ist nun mal von Natur aus neugierig, deshalb hier die Erklärung.
Das lateinische Wort „Placenta“ steht für Kuchen, natürlich auch den Mutterkuchen, in Rumänien wurde daraus „Placinta“, die Ungarn punkteten mit „Palacsinka“ und Wien gab eigentlich nur den Topfen oder die Marillenmarmelade dazu. Übrigens schmeckt diese hier ganz anders als ein Aprikosen-jam.
Wagt man einen Blick über die Grenze zu den böhmischen Mehlspeisen, so merkt man schnell, dass Buchteln heute in Wien genauso beliebt sind wie in Bayern. Auch hier ist die Sprachwurzel sehr ernüchternd, denn Buchteln sind, wenn man es ganz genau nimmt, Geschwülste. „Bubniti“ heißt nichts anderes als „anschwellen“. Zu diesen könnte man „Weinschatooh“ servieren, dem wiederum das französische Wort „Chaude eau“ , also schlichtes heißes Wasser, zugrunde liegt.
Diese kleinen Beispiele belegen eindeutig, dass nicht nur mit Mund & Augen gegessen wird, sondern auch die Ohren kuriose Geschmäcker vermitteln. Die Wiener hoffen jetzt, dass die Nivellierung der Umgangssprache vor dem heimischen Speiseplan halt macht, denn ein Baiser mit Schlag soll auf keinen Fall als Windbäckerei mit Sahne bezeichnet werden… und es dem Zuag’rasten noch schwerer machen…
Bild: babsi_w -Fotolia